Neue Kultur-Köpfe für das Ruhrgebiet

Von der Ruhrtriennale ins Schauspielhaus Bochum: Johan Simons | Foto: Birgit Hupfeld
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Hinter jedem guten Kulturprogramm steckt ein kluger Kopf. 2018 ist das Jahr, in dem viele dieser Köpfe wechseln: Neue Intendantinnen und Intendanten, Dezernenten, Leiterinnen und Leiter ziehen in Theater-, Opern-, Konzert- und Rathäuser ein oder übernehmen andere wichtige Institutionen im Kulturgebiet Ruhrgebiet. Ob sie dabei alles auf den Kopf stellen oder vor allem Traditionen wahren, verraten wir im Überblick.

Wenn das Schauspielhaus Bochum am 27. Oktober mit der elektronischen Popmusik-Nacht „Ritournelle“ im von der Sanierung noch leergeräumten großen Saal ohne Sitzreihen eröffnet, dann ist dieses ungewohnte Bild auch ein Zeichen für die Zukunft. Unter dem neuen Intendanten Johan Simons, der in den vergangenen drei Jahren die Ruhrtriennale leitete, erfährt das Stadttheater teils krasse Veränderungen: Mit einem fast komplett neuen Ensemble mit vielen internationalen Einflüssen und Stars wie Sandra Hüller bespielt er zum Beispiel die Kammerspiele als „En Suite“-Theater. Das heißt die Bühnenbilder werden einmal aufgebaut, die Inszenierungen darin einige Wochen am Stück gespielt – und dann verschwinden sie wieder. Das Theater Unten wird zum Oval Office, einem kostenlos begehbaren Raum für Kunstinstallationen. Und die Zeche 1 kommt als neue feste Spielstätte für Tanz-Performances dazu.

Olaf Kröck ist neuer Intendant der Ruhrfestspiele
Recklinghausen. | Foto: Edi Szekely
Stefanie Carp folgt Johan Simons als Intendantin der Ruhrtriennale. | Foto: Edi Szekely

Olaf Kröck, der in seiner 298 Tage währenden Interimsintendanz am Schauspielhaus Bochum erstaunliche Akzente setzte, tritt als neuer Intendant der Ruhrfestspiele Recklinghausen in große Fußstapfen: Frank Hoffmann, der sich auch nach 14 Jahren von seiner Aufgabe nur ungern und wie man hört nicht ganz freiwillig löste, hat dort große Erfolge vor allem bei den Besucherzahlen gefeiert. Kröck muss sich an den zuletzt 84.000 Besuchern messen und weiter (Hollywood-)Stars ins nördliche Ruhrgebiet locken. Selbst mit der moderaten Veränderungs-ankündigung, die schrägen künstlerischen Formen des Ruhrfestspiele-Schwesterfestivals Fringe ins normale Programm zu integrieren, hat er schon skeptisches Rumoren ausgelöst. Das ist jedoch nichts gegen die Negativ-Schlagzeilen, in die Stefanie Carp als neue Ruhrtriennale-Intendantin geriet. Nach kontroversen Diskussionen um die Ein-, Aus- und Wieder-Einladung der Band Young Fathers, die in der Israel kritischen Kampagne BDS aktiv ist, glauben einige Beobachter, dass sie ihr auf drei Jahre angelegtes Engagement vielleicht nicht zu Ende führen kann. Schade wäre es, ist ihr Programm doch ansonsten stark und überzeugend.

Neuer Intendant und Geschäftsführer des Konzerthauses Dortmund: Raphael von Hoensbroech | Foto: Pascal Amos Rest

Klar auf der Seite liebgewonnener Traditionen steht der neue Intendant und Geschäftsführer des Konzerthauses Dortmund Raphael von Hoensbroech. Seine letzte Station war das Berliner Konzerthaus. In Dortmund tritt er am 15. September an und verwaltet in den ersten zwei Jahren noch weitgehend das von seinem Vorgänger Benedikt Stampa geplante Programm. Er will die Residenz des lettischen Dirigenten Andris Nelsons weiterführen, das Nachwuchs-Programm Junge Wilde und wohl auch das beliebte Pop-Abo, in dem diesen Herbst The Tallest Man On Earth und Ólafur Arnalds zu Gast sind. Eine neue Idee ist eine App, mit der er junges Publikum ins Konzerthaus locken will.

Heribert Germeshausen ist Indendant des Opernhauses Dortmund. | Foto: Oper Dortmund

Um die Ecke führt Heribert Germeshausen einige Änderungen ein. Er kommt von der Oper Heidelberg und wird zum Start der Saison 2018/19 neuer Intendant der Oper Dortmund. Für seine erste Spielzeit plant er acht große Premieren und ein partizipatives Projekt zur Eröffnung, bei dem er die Dortmunder Bevölkerung auf die Straße holen möchte. Bis zum Ende seines Vertrags im Jahr 2024 will er das Haus zur „Ruhroper 21“ entwickeln – unter anderem mit dem Projekt einer „Bürgeroper“, bei der Laienchorsänger genauso mitmachen können wie Rockmusiker oder Mandolinen-Spieler.

Auch in Bochum wird sich die Klassikszene mittelfristig auf eine Veränderung einstellen müssen: Steven Sloane, seit bald 24 Jahren Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker, hat seinen Abschied für das Jahr 2021 angekündigt. Die Nachfolgesuche ist eine der ersten kniffligen Aufgaben für den neuen Kulturdezernenten der Stadt Dietmar Dieckmann, der seit Mai im Amt ist. Er hat angekündigt, eine Findungskommission mit Vertretern aus Politik und Stadtverwaltung zu bilden – „ganz wichtig ist aber auch, dass das Orchester daran beteiligt ist“, sagt Dieckmann. Erste Probedirigate könnten bereits im nächsten Jahr stattfinden. Schon gefunden ist eine Nachfolge für das Bochumer Prinzregenttheater: Hans Dreher vom Rottstr5-Theater und seine Frau Anne Rockenfeller übernehmen für die geschasste Romy Schmidt. In Dieckmanns Amtszeit wird wahrscheinlich eine weitere Nachfolgesuche fallen: Der Direktor des Bochumer Kunstmuseums Hans Günter Golinski geht auf den Ruhestand zu.

Peter Gorschlüter, Direktor Museum Folkwang | Foto: Jens Nober, Museum Folkwang

Einen neuen Leiter hat bereits das Folkwang Museum Essen: Peter Gorschlüter kommt vom Frankfurter Museum für Moderne Kunst und setzt an der neuen Wirkungsstätte weiter auf das Konzept des freien Eintritts für die Dauerausstellung. Mit temporären und dauerhaften Projekten will er außerdem die Sammlung aus dem Museum hinaus in die Stadt tragen. Sein Motto ist: Regionale Verwurzelung und internationale Ausrichtung.

Das Große und Ganze der Essener Kultur lenkt seit einiger Zeit Muchtar Al Ghusain, der als neuer Beigeordneter für Kultur aus Würzburg in die Ruhrgebietsstadt kam. In Würzburg hat er sich vor allem um die Programmkino-Landschaft verdient gemacht, in Essen tritt er ein gewaltiges Erbe an, das sich schon in Titeln wie „Kulturhauptstadt Europas“ oder „Grüne Hauptstadt“ ausgedrückt hat. Sein Wohnsitz in der Nord-City ist bewusst gewählt: Er will Verbindungen schaffen zwischen dem armen Norden und dem reichen Süden.

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