Musik von hier 7/2024: Bunt, alternativ, ausdrucksstark

Open-Air-Konzerte sind aktuell immer noch Balsam für die Musikseele. Also ab nach draußen und checkt die NRW-Szene! Foto: Canva
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Leute, es ist noch Sommer! Auch wenn man weiß, dass er sich nicht mehr wahnsinnig lang halten wird, so ist der Moment genau der richtige, um rauszugehen und an einem lauen Abend Musik unter freiem Himmel zu genießen. Immer noch warten unzählige schöne Open-Air-Konzerte in der Region darauf, von euch erobert zu werden. Schaut also genau hin und womöglich entdeckt ihr sogar einen der hier aufgeführten hörenswerten NRW-Artists live. Musik von hier, Runde 7, jetzt geht’s los:

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In Mitra Medusa Inri – Second Life

Dark Wave war in den 80s das Ding – und ganz ausgestorben ist das Genre nie. In den 2000ern gab es große internationale Erfolge für HIM, The Cure und ihre Shows sind weiterhin gefragt. Irgendwo dazwischen reihen sich In Mitra Medusa Inri ein, die 1992 in Brüggen im Kreis Viersen zueinander fanden. Mit „Second Life“ gibt es das erste Album nach einer sehr langen kreativen Pause von 14 Jahren. Michael und Holger kreieren mit ihrem düsteren Sound ein Gefühl in den Ohren, das wahrhaftig haunting ist. Dabei bleibt der Kern aber dennoch romantisch und anschmiegsam. Eine Stunde lang werden in 13 Songs Vergänglichkeit und Liebe transportiert, nur eben mit viel schwarzer Mystik. Bevor man im Oktober das Duo live in Essen sehen kann, sollten die Songs gut ausgecheckt werden. Einen schicken Einstieg bieten die beflügelnden Sythie-Klänge in „Broken Dreams“ oder die treibenden Drums in „Keep On“. Bereits veröffentlicht

Randale – Feuerkäfer

Ganz schön tüchtig: Randale aus Bielefeld bringen fast jährlich etwas Neues heraus. Schließlich sind Kinder oft noch ungeduldiger als die Erwachsenen und brauchen immer frische Kost. Besonders dann, wenn die so gelungen ausfällt. Auch wir haben eines der letzten Alben, „Sandkastenrocker“ aus 2022, empfohlen. Auf der 17. (!) LP in 20 Jahren wird genau das fortgesetzt, wofür die Band rund um Sänger Jochen steht, nämlich für Kindermusik, die auch die Eltern mögen. Die ist gespickt mit Ohrwürmern, nicht so weichgespülten Beats und ganz besonders pädagogisch wertvollen Texten, bei denen die Kids aber immer ernstgenommen werden. Schräg-witzige Storys gibt es diese Runde in „Anton geht zum Friseur“ oder „Der Vampir“. Die sind dabei genauso hörenswert wie Tracks, die das Miteinander fördern, zum Beispiel in „Wir passen aufeinander auf“. In den nächsten Wochen stehen Shows u.a. in Waltrop, Bielefeld, Emsdetten, Schwerte, Münster, Lünen und Solingen an. Bereits veröffentlicht

International Music – Endless Rüttenscheid

Eigentlich haben International Music mit ihren zwei ersten Alben „Die besten Jahre“ und „Ententraum“ so ziemlich alles erreicht, was sich ein NRW-Indie-Act wünschen kann. Das in Essen gegründete Trio, wovon zwei Mitglieder auch The Düsseldorf Düsterboys ergeben, wurde mit Lob nur so überschüttet, erreichte in vielen einschlägigen Magazinen hohe Platzierungen in den Jahrescharts sowie Nominierungen für mehrere Musikpreise. Nun kommt nach längerer Zeit endlich der dritte Longplayer. Mit „Endless Rüttenscheid“ nimmt man diesmal gleich im Titel Bezug auf die Ruhrmetropole, ist Rüttenscheid wohl das Szeneviertel der Essener City überhaupt. Musikalisch bewegt man sich aber eher abseits des Partytrubels und findet mit manchmal treibendem, oft aber auch sehr reduzierten Indie-Beats einen Weg, um der Hipster-Welt wieder verzückend den Kopf zu verdrehen. Klarer Anspieltipp ist das melancholische „Liebesformular“ mit obskuren wie schönen Metaphern. Gebt es euch live im Oktober in Dortmund, Düsseldorf, Köln und Essen. VÖ: 6.9.

In Extremo – Wolkenschieber

Wer mit Mittelalter-Rock liebäugelt, ist wohl nie an In Extremo vorbeigekommen. Und das auch zurecht, sind sie mit über 1,5 Mio. verkauften Einheiten einfach die unangefochtenen Pinoiere des Genres. Seit 1997 veröffentlicht die Band aus Berlin, deren Frontmann Michael aka Das letzte Einhorn seit Ewigkeiten in Kerpen wohnt, oft auch thematisch schlüssige Alben. So verhält es sich auch mit „Wolkenschieber“, der ersten LP nach über vier Jahren. Mit zig Zitaten aus Märchen und Popkultur macht das Zuhören auch beim dritten und vierten Durchlauf noch Spaß, weil der „Ahhh“-Moment immer mal wieder einsetzt. Anspieltipps sind düstere Songs wie „Katzengold“ oder „Blutmond“, aber auch die vielen Features. Darunter verbergen sich Björn von Santiano, Oliver von Faun, Joey und Jimmy von der Kelly Family und Joachim Witt. Sounds, die den langsam eintrudelnden Herbst bereichern. VÖ: 6.9.

Robert Schroeder – Observer

„Observer“ bringt mit über einer Stunde Material eine ordentliche Länge mit – doch die ist absolut förderlich, um richtig abzuschalten. Robert Schroeder wird im nächsten Jahr 70, nimmt aber seine Zuhörer:innen weiterhin mit auf eine elektronische Reise, die sich perfekt eignet, um Gedanken schweifen zu lassen und tiefenentspannt auf dem Bett zu versacken. Das ist atmosphärisch, mal etwas aufgeregter, mal aber auch ganz in sich gekehrt. Der in Aachen geborene Musiker veröffentlicht seit den 70ern Alben, sodass sich rund 40 Veröffentlichungen angesammelt haben. Den Zeitgeist hat er dennoch nicht vergessen, weswegen besonders „Following On Step“, „Distructing Live“ oder auch der Titeltrack „Observer“ einen schönen Mittelweg aus old schooligem Ambient und modernen, spährischen Dancesounds präsentieren. Auf dem neusten Longplayer steht das Beobachten des Universums im Fokus. Ein guter Ansatz für die Bilder, die vorm inneren Auge sicherlich aufplöppen werden. VÖ: 6.9.

Fahnenflucht – Molotov Zitrone

Haltung zu zeigen, ist wohl aktuell wichtiger denn je – leider. Doch für Fahnenflucht hat sich eigentlich nicht viel verändert, stehen sie eben immer schon sehr für ehrlichen, direkten, angriffslustigen und deutschsprachigen Punkrock. Die 1996 gegründete Band aus Rheinberg droppt mit „Molotov Zitrone“ ihr achtes Album und das erste nach über drei Jahren. Natürlich sind die aktuellen politischen Ereignisse, darunter auch der Rechtsruck sowie das Leugnen der Klimakrise entscheidende Themen. Die 13 Tracks steuern gnadenlos und laut in die Gehörgänge, die Lyrics genauso ohne Kompromisse ins Gewissen. Und genau so ist das richtig. „Staub“, „Krieg im Kopf“, „Bildschirmzeit“ und „Im Zweifel für den Zweifel“ verpackt das, was wir täglich doch öfter denken, oder? Kurz nach dem Release der Platte gibt es die Jungs im Oktober live in NRW, nämlich in Krefeld und Oberhausen. VÖ: 13.9.

Figur Lemur – Es ist noch nicht alles verloren

Schon mit ihrem vor zwei Jahren erschienenen Debütalbum „Politik und Liebe“ konnten uns Figur Lemur aus Bochum richtig begeistern – und warum sollte sich das nun verändern? Eben. Auf der 2024-EP „Es ist noch nicht alles verloren“ bleibt die Band optimistisch, auch wenn sich immer etwas Tristesse durch die Beats und Lyrics zieht. Die Musik bleibt weiterhin richtig hookig, entscheidet sich nie zu stark für ein Genre, sondern switcht gekonnt zwischen Electronica, Hip-Hop, Trap, Rock und Pop. Casper-Liebhaber:innen müssen dringend reinhören, wenn sie das nicht schon längst getan haben. Stark produziert („Es ist noch nicht alles verloren“), woke in der Haltung („Langeweile“), dann wieder richtig geil ballernd auf die Zwölf („Holztechnik Meyer“). Im August gibt es eine Show in Witten, im September in Voerde. Tickets hasse ja schon, woll? VÖ: 13.9.

Lisa Spielmann – Luft Liebe Pommes

Wo sind die Laing-Anhänger:innen? Mögt ihr auch so gerne Nicole Rost und ihre Band wie wir? Dann bekommt ihr jetzt mit Lisa Spielmann eine ähnliche, vielleicht etwas sanftere, poppigere Variante. Doch besonders textlich bewegt sich Kölnerin in ähnlich emotionalen wie auch witzigen Gefilden und bringt auf ihrem Debütalbum „Luft, Liebe, Pommes“ schon beim bloßen LP-Titel ein Grinsen fürs Gesicht mit. Mit vielen kreativen Ideen und oft ruhig-intimem, aber keinesfalls langweiligem Indie-Pop ist das auf jeden Fall eine ganz andere Richtung als die, die sie vorher mit ihrer Band einschlug, nämlich Karnevalsmusik. Neun fluffige Songs wie das mitreißende „Ist das die Lösung?“ sind dabei genauso schnell greifbar und ansteckend wie eher melancholische Momente a là „Bevor es angefangen hat“ und „Manchmal“. Tut gut und mag wiedergehört werden. VÖ: 13.9.

Doro – Anthems For The Champion

Am 14.9. gibt es womöglich das größte Privatfernsehen-Spektakel 2024: Stefan Raab kehrt zurück. Und das macht er nicht mal eben so, sondern mit seinem dritten und wahrscheinlich letzten Boxkampf gegen die Legende Regina Halmich. Das Event findet in Düsseldorf statt – und da kommt Heavy-Metal-Größe Doro ins Spiel. Die Düsseldorferin ist selbstverständlich im Team Regina und unterstützt die zigfache Weltmeisterin auf mehreren Ebenen. Einen Tag zuvor erscheint ein Album mit alten wie neuen Songs, die thematisch zu dem Fight passen. Songs wie „The Queen“, „Fight“, „You’re My Family“, „Jutice for the Queen“ oder „Warrior Soul“ drehen sich textlich ums Thema. Bei „We’re Like Thunder“ steht Halmich sogar selbst am Mikro. Zu einem Song von Doro wird sie selbstverständlich auch einlaufen. Fans der mittlerweile 60-jährigen Rock-Ikone können sich auch eine limitierte Box mit vielen Gimmicks sichern. VÖ: 13.9.

Tinie Creatures – Sleepless

Äußerst spannend ist das musikalische Debüt von dem in Bremen geborenen Tom Brandt ausgefallen. Einige kennen ihn womöglich als Schauspieler in Köln, wo er ansässig ist, andere werden ihm nun als Musiker Tinie Creatures begegnen. Auf „Sleepless“ warten neun sehr heterogene, aber immer aufregende Tracks, die dadurch begeistern, dass sie immer den Mittelweg zwischen Edge und Eingängigkeit wählen. Viel Indie-Rock mit melodischen Bögen, dann aber plötzlich fast schon jazzig anmutende Instrumental-Parts. Toms Stimme hypnotisiert, sein Songwriting weiß zu begeistern. Das ist sphärisch, berührend, auch theatralisch – der Herr kommt eben vom Theater – verträumt und konfrontativ. Gute Songs gibt es quasi ausnahmslos, weswegen es sich wirklich lohnt, die 36 Minuten einfach im Rutsch durchzuhören. Ein sehr großes Highlight in diesem Jahr. Rund um den Release gibt’s Liveshows in Köln und Essen. VÖ: 20.9.

Giver – The Future Holds Nothing But Confrontation

Ok, durchatmen, Augen schließen, fokussieren. 3, 2, 1… Abriss! Das Quintett Giver, deren Mitglieder zum Teil aus Köln kommen, ballert auf seiner dritten LP ohne Warm-up, ohne Kompromisse und ohne jegliche Vorwarnung sofort los, um den schmerzvollen Diskurs von „The Future Holds Nothing But Confrontation“ den Zuhörer:innen direkt um die Ohren zu pfeffern. Das ist konsequent wie eindringlich. Die 2013 gegründete Band shoutet nach vier Jahren Pause mit unaufhaltsamer Energie alles raus, was raus muss. Gitarren schmettern, die Drums knallen. Songs wie „Keeping You Alive“, „Heavy Breathing“ oder „When The Pain Begins To Speak“ suchen sich ihren Weg durch triste Alltagsbeschreibungen, Selbsthass, Unsicherheit und – ja, doch – auch unerfüllte Liebe. 41 Minuten, die jeden Moshpit abfackeln. Im Oktober spielen Giver in Köln, im November in Münster. VÖ. 20.9.

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