Sich spüren? Nur auf der Bühne!: Liser im Gespräch

Liser macht Rap, aber kombiniert ihn mit vielen unterschiedlichen Sounds. Foto: Justus Grotenhöfer
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Ende Oktober wurde Liser aus Köln als „Best Newcomer“ beim popNRW-Preis ausgezeichnet. Christopher Filipecki hat einiges über sie erfahren.

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Liser über den popNRW-Preis 2022

Herzlichen Glückwunsch zu deiner Auszeichnung als „Best Newcomer“ beim popNRW-Preis 2022, Liser. Nenn uns den ersten Gedanken, der dir in den Kopf kam, als du es erfahren hast!

Krass! Es war richtig crazy, weil ich mich nicht mal selbst beworben habe, sondern es out of nowhere kam. Ich bin eigentlich momentan so viel mit anderen Projekten beschäftigt und weniger mit meinen eigenen Sachen. Und ich dachte echt nur: „What’s happening!?“

Und was ist dein Gedanke heute, ein paar Wochen später?

Zu Recht! (lacht laut) Nein, es ist immer noch crazy. Ich habe noch nie einen Preis für etwas bekommen, was wirklich cool ist und was ich gerne mache. Ich kann nun meine Miete bezahlen, ohne auf irgendeine Art etwas extra getan zu haben.

Hat der Preis dir denn einen besonderen Push gegeben?

Rational betrachtet hat es mir wohl übelst den Push gegeben, ja. Seit dem Preis bin ich schon sehr konzentriert am Arbeiten. Ich habe Projektplanungen mit Google Docs gemacht und Ziele gesetzt. Das hat davor ein wenig gehinkt. Mit Sicherheit hängt das damit zusammen.

Wie war denn überhaupt die Verleihung Ende Oktober im Gloria in Köln?

Gemütlich. Es war total cute. Was mich überrascht hat und was wahrscheinlich viele auch nicht wissen, ist, dass hinter popNRW nur eine Person steckt. Das sind staatliche Fördergelder, aber Linn Meissner ist für alles allein verantwortlich, somit auch für das Event. Natürlich viel zu viel Arbeit für eine Person. Mit Sicherheit könnte man die Show beispielsweise auch live streamen, das wär‘ noch cooler. Aber ich habe mich sehr wertgeschätzt gefühlt und hatte einen großartigen Abend.

Liser macht bereits seit fünf Jahren Musik. So richtig los geht’s aber erst jetzt. Foto: Justus Grotenhöfer

„Ich bin zuvor einen Ego-Film gefahren.“

Ist es ein Problem für dich, dort aufzutreten, wenn du weißt, im Publikum sitzt Konkurrenz, also andere Nominierte?

Ich freue mich über jede Bühne. Es hat mich richtig gepusht, dass Leute vor Ort waren, die im Musikbereich auch was zu sagen haben. Als ich von der Bühne gegangen bin, meinte ich sogar, dass es für mich eine der besten Performances bisher überhaupt war. Es waren aber auch nur vier Songs, da kann man natürlich dann auch richtig reinballern.

Hast du in den Wochen nach der Show nun schon ein Echo mitbekommen? Gibt es schon mehr Anfragen?

In den letzten paar Wochen gar nicht unbedingt, aber dafür insgesamt in meinen letzten drei Jahren. Der Preis ist cool und ich freue mich voll darüber, aber ich hatte auch so schon 2023 viele Konzerte. Dafür sind nun Interviewanfragen und viele schöne Glückwünsche dazu gekommen, unter anderem von Carolin Kebekus.

Eigentlich machst du schon seit über fünf Jahren Musik, bist also gar nicht mehr so „new“. Gibt es denn aber vielleicht Sachen, die dennoch für dich auch heute noch neu sind?

Voll. Auf die eine Art sehe ich mich auch nicht mehr als Newcomerin, weil ich’s schon länger verbissen verfolge, auf die andere Art sehe ich’s aber komplett so. Ich habe zwar viele Shows gespielt, aber noch nie eine Arenashow. Am Anfang hatte ich kein Geld und keine Möglichkeiten, habe stattdessen mir einfach Beats aus dem Internet gesucht und im Heimstudio darauf was gemacht. Nun fange ich an mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Das Team wird immer größer, ich habe Produzent:innen am Start. Wenn ich eine Pause im Beat haben will, können die die dann einbauen. Das ist einfach ein ganz anderes Level.

Was weißt du denn jetzt über Musik, was du 2017 nicht wusstest?

Dass man nicht alles allein machen muss. Ich bin zuvor einen Ego-Film gefahren, wahrscheinlich ein Rap-Ding. Es gibt eben den Rapper oder die Rapperin – und alles, was dahintersteht, ist irrelevant. Hieß für mich, ich muss nun rappen, lernen, wie man’s schreibt, wie man produziert. Es ist aber absolut fein und man ist immer noch viel wert, wenn man nicht jeden Schritt kann. Das Produkt ist am Ende viel cooler, wenn mehrere Leute dran arbeiten, die unterschiedliche Ziele und Skills haben und man ihnen vertraut. Teamwork makes the dream work.

Liser: „Eine dreidimensionale Person, aber als Musikprojekt.“

Wer dich bisher noch nicht gehört hat, ist bestimmt nun neugierig geworden. Beschreibe kurz und knapp, wie du klingst!

Richtig geil! (lacht) Es ist in Genregrenzen nicht einfach zu fassen, weil ich sowohl rappe als auch singe. Es ist poppig, funky, ein bisschen Punk, es ist sauer und happy. Eine dreidimensionale Person, aber als Musikprojekt.

Du hast mal Poetry Slam gemacht…

Oh Gott, oh Gott, ja…

Ach, ist doch nicht schlimm. Würdest du denn sagen, dass das ein guter Grundstein war, um Rapperin zu werden?

Irgendwie schon. Ich habe es nämlich gemacht und dann gedacht: Ok, Rapper sind aber cooler. Ich komme vom bayrischen Dorf, da war ich nicht cool genug für Musik. Poetry Slams waren aber das Nächste, um den Einstieg zu Sachen mit Sprache zu finden. Auf Bühnen stehe ich aber schon viel länger, die sind mein Safe-Space. Ich sage gern: „Ich spüre mich nicht, außer wenn ich auf Bühnen stehe“ – und ich glaube, das ist sehr wahr. Da bin ich am authentischsten ich selbst.

Dein aktuelles Album „ja“ ist eine Kollaboration mit Taby Pilgrim aus Essen. Generell magst du Features, oder? Es gibt viele Songs von dir mit anderen…

Genau, ich liebe es einfach mit anderen Menschen Musik zu machen. Außerdem sind zweite Parts voll anstrengend zu schreiben – wie geil ist das, wenn das jemand anderes macht? Taby habe ich über Twitter kennengelernt, da waren wir in ähnlichen Kreisen. Ich habe zu der Zeit noch Eventmanagement studiert, sie war in England und hat ihren Master in Sounddesign gemacht. Ich wollte eigentlich ein Festival organisieren und hatte sie eingeladen. Es hat aber wegen Corona nie stattgefunden, weil es im März 2020 sein sollte. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass es nicht so kam, weil es eine viel zu große Aufgabe war. Ein paar Monate später gab es dafür ein Livestream-Konzert, für das ich angefragt wurde. Dort habe ich Taby dann mitgebracht. Wir haben uns vier Tage vorher das erste Mal getroffen. Bei dem Konzert selbst meinten alle zu uns, wir bräuchten einen Podcast, weil wir so gut matchen. Wir antworteten darauf, dass wir uns erst seit vor-vor-vorgestern kennen würden. Also haben wir dann das Podcastprojekt gestartet und so war der Schritt zum gemeinsamen Musikmachen nicht mehr weit.

Liser hat dieses Jahr mit Taby Pilgrim aus Essen ein gemeinsames Album veröffentlicht. Foto: Justus Grotenhöfer

Liser über Taby und deren „Jobs“

Ihr eröffnet das Album mit dem Track „Popstar ist kein Vollzeitjob“ – warum siehst du das so? Stört dich das überhaupt?

Es ist ein ironischer Take dazu, wie dolle wir eigentlich arbeiten. Wir sind beide sehr zerstreut in unterschiedliche Richtungen. Musik ist zwar das Ziel, aber dennoch machen wir viel anderes. Taby zum Beispiel macht Sounddesign oder ist Synchronsprecherin und schauspielert, ich bin Regisseurin und Cutterin, also auch behind the scenes. Eigentlich wäre jede einzelne Aufgabe eine Lebensaufgabe, wenn man darin gut werden will. Und wir sind 25 und sagen, wir machen das einfach alles, auch wenn wir’s nicht gelernt haben. Trotzdem wird vieles besser als bei anderen (lacht). Wir machen das eigentlich, um nicht 9 to 5 arbeiten zu müssen, stattdessen arbeiten wir nun 24/7.

Gibt’s denn einen Vollzeitjob, den du dir ansonsten vorstellen könntest?

Ich wäre auf jeden Fall immer noch selbständig. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo zu arbeiten, wo harte Strukturen herrschen. Das wäre mit meinem ADHS auch nicht möglich und alles würde schlecht enden. Ich würde gerne beim Film arbeiten. Regie, Schnitt, Produktionsleitung sind meine alternativen Babys.

Das Album heißt „ja“ – wozu sagst du immer Ja, wozu immer Nein?

Richtig gute Frage. Ich glaube, ich bin die falsche Persönlichkeit für diese Frage. Es gibt nichts, wozu ich immer Ja sagen würde, nicht mal zum Zähneputzen. Ich habe Schwierigkeiten damit, mich auf etwas festzulegen. Ich habe auch keine Lieblingsdinge. Eine Zeit lang bin ich mit etwas obsessed und in drei Wochen mag ich was anderes gerne. Es gibt aber viele Sachen, zu denen ich Nein sage. Sowas wie Sexismus, Rassismus oder ähnliches. Wenn man aber nur drei meiner Songs gehört hat oder mich anguckt, ist das schon offensichtlich.

Liser über weibliche Acts im Deutsch-Rap

Woher kommen deine Inspirationen? Alltagsdinge oder eher Acts?

Ich sage das total ungern, aber es ist meistens eine Verarbeitung von Gefühlen. Ich habe das dieses Jahr sehr gemerkt. Ich hatte nicht so viel Zeit Musik zu schreiben und bin emotional voll überladen. Ich hab‘ früher im Jahr 70 Songs geschrieben, was irgendwas bewirkt haben muss, auch wenn 60 davon kompletter Mist sind. Die würde ich, wenn überhaupt, nur Leuten zeigen, weil es funny ist. Meistens höre ich sie aber eher dann nach drei Jahren nochmal in einer Nacht durch und vibe damit. In diesem Jahr bin ich auf den Trichter gekommen, als ich Monate keinen Song gemacht habe, dass ich ins Studio muss, wenn fürs Schreiben die Zeit nicht reicht.

Mittlerweile ist der Anteil von weiblichen Acts im Deutsch-Rap größer. Findest du, dass so langsam ein Gleichgewicht bei den Möglichkeiten herrscht oder ist es als Frau weiterhin schwer?

Eine maximalkomplexe Frage. Ich glaube, dass das in beide Richtungen komisch ausschlägt. Ich sehe sowohl Acts, die in ihrer Nische total gepusht werden, obwohl sie eigentlich noch drei Jahre in ihrem Kämmerchen bräuchten. Da wir als Frauen aber ein bisschen hinterherhängen und es lang kein richtiges Vorbild gab, ist ein Push von solchen nicht immer angebracht, weil viel dahinter noch fehlt. Dabei darf man doch auch mal scheiße sein, es gibt genug schlechte männliche Rapper. Andererseits gibt es, eben weil so viele schlecht sind, ein paar Laien, die sagen, sie machen es nun besser und das dann dazu auch wirklich tun. Die könnten die Szene aufbauen. Dass sich viele Frauen nicht trauen, hat aber meist viel subtilere, tieferliegende Gründe als nur irgendeinen Typen, der sagt: „Du darfst hier nicht mitspielen.“ Dass ich Battlerap mache, ist für mich aber ein Türöffner, weil das viele Jungs fühlen und kennen.

Hast du selbst ein kleines Vorbild?

Total viele. Im Moment ist es sogar ein Cis-Mann, nämlich Conny aus Düsseldorf. Was der textlich raushaut, finde ich so krass. Im Songwriting für mich ein unangefochtener König.

Wie beendest du 2022 und wie startest du 2023?

Ich beende 2022 mit Durchhalten. Ich bin in den nächsten Wochen kaum zuhause. Musikrelevante Arbeit. Großartig, aber eben viel unterwegs. Und 2023 geht’s weiter. Das Album ist in Arbeit und wird „Gefühle“ heißen, dauert aber noch. Das wird sich lohnen und es wird groß.

Wenn du die 2500 Euro Preisgeld, die du gewonnen hast, für etwas ausgeben könntest, was nicht Musik wäre – hättest du da einen Wunsch?

Gar keine Ahnung. Es gibt mich nicht mehr außerhalb meiner Arbeit, ich bin keine Privatperson. Ich bastele gerne, vielleicht kaufe ich mir für 2500 Euro Perlen.

Zuletzt: Liser statt Lisa. Wie kommt’s?

War mal ein Twitter-Ding, dass Leute an ihren Namen ein „-er“ angehängt haben. Ich fand’s bei allen scheiße und total dumm. Bei mir fand ich’s plötzlich irgendwie nice. Ich wollte immer einen Künstlerinnennamen haben, der wie Madonna, Cher oder Beyoncé alleinstehend und nah an meinem echten Namen ist. Ich identifiziere mich auch überhaupt nicht mehr mit Lisa. Gibt nur wenige, die mich so anschreiben dürfen, ohne dass es mich nervt. Irgendwann lasse ich mir das in meinen Ausweis eintragen.

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