Wine o’clock – So laufen Weinproben in Supermärkten ab

Die Qual der (Kauf-)Wahl trifft einen bei der Weinprobe nahezu minütlich. Foto: Christopher Filipecki
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Schon mal bei einer Weinprobe gewesen? Die einen beantworten diese Frage wohl mit „Selbstverständlich!“, die anderen winken dankend ab. Zu uninteressant, zu aufwendig, zu spießig, zu teuer. Doch die Supermarktkette akzenta mit Sitz in Wuppertal hat das Konzept des „Winetastings“ auf ein neues, äußerst attraktives Level gehoben. Christopher Filipecki besuchte den Sommelier Otmane Khairat in der Filiale in Wuppertal-Barmen und war überrascht, wie stilvoll sich ein Supermarkt präsentieren kann.

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In perfekter Umgebung

Von knapp 1500 unterschiedlichen Weinen umgeben. Otmane Khairat hat den für sich perfekten Arbeitsplatz. Eine derartig große Auswahl gibt es nur selten. Mehr als zwei Drittel aller Weine werden in Supermärkten gekauft, weiß er. Fünf Tage die Woche besetzt er mit seiner Kollegin von 10:30 bis 19:00 Uhr die Weinbar, berät und schenkt ein. Die Kundschaft im spezialisierten Handel oder gar auf Messen ist eher überschaubar, weil es sich um ein exklusives Publikum handelt.
Aber nahezu jede:r legt ohne große Aufmerksamkeit hin und wieder mal ein Fläschchen in den Einkaufswagen, der regulär mit Artikeln für den typischen Tagesbedarf befüllt ist. Ob als stilvoller Tropfen zum Essen, als schmackhaftes Getränk beim Klatsch mit Freund:innen oder als Geschenk für den Besuch bei den Schwiegereltern – Wein ist flexibel einsetzbar und macht immer was her.

Doch wie so oft ist die Auswahl zu groß, das Wissen zu klein und die Preise dann doch zu hoch. Wenn der Riesling für vier, fünf Euro ein Fehlgriff war, ist das zwar schade, aber keinesfalls tragisch – trifft der Sauvignon Blanc für 19 Euro aber so gar nicht den Geschmacksnerv, ist das enttäuschend und ärgerlich. Um dem entgegenzuwirken freut sich der in Casablanca geborene Weinkenner mit Diplom Khairat, der neben Deutsch auch fließend Italienisch und Französisch spricht, über wissbegierige und offene Kund:innen, die etwas probieren wollen und ein paar Minuten Zeit mitgebracht haben. Ihm ist klar, dass wenn die Beratung stimmt und die Katze nicht im Sack gekauft werden muss, die Kundschaft wiederkommt, gerne auch ein paar Euro mehr investiert und ihre Liebe für Wein entdeckt.

Otmane Khairat bei seiner Lieblingstätigkeit. Besucht ihn doch mal im akzenta in Wuppertal-Barmen! Foto: Christopher Filipecki

In einem Rutsch

Jede:r muss mindestens einmal die Woche einkaufen. Warum Salami, Katzenstreu, Milch und Tiefkühlpizza nicht mal mit einer Entdeckungsreise verbinden? Eine Entdeckung, die bei den Weinen aus allen möglichen Ländern dieser Welt beginnt und bei Ziegenkäse oder Serrano-Schinken endet, die es nur wenige Meter von der Weinbar entfernt an der Frischetheke gibt. Genau mit diesem so einfachen wie guten Konzept weiß akzenta zu punkten.

Die Kette verfügt derzeit über vier Filialen in Wuppertal, eine in Heiligenhaus und ein boni-Center in Witten. 2022 soll die bis dato größte Filiale in Dortmund öffnen, verrät Khairat. Seit einigen Monaten läuft die Eventreihe „Weinbar – Live“. Einmal im Monat steht ein Tasting an, zu dem eine begrenzte Anzahl an Leuten Platz nehmen darf. Die Themen sind vielfältig und abwechslungsreich, sodass theoretisch jedes Mal teilgenommen werden kann, ohne doppelte Informationen zu bekommen. Jeder Platz der letzten Tastings war ausverkauft. Im November lautet das Motto „Perfekt im Duett: Käse und Wein in einer kulinarischen Begegnung“, im Dezember „Champagner-Gala: Terroir und Passion im Reich des perlenden Luxus“.

Von Regalen dieser Größenordnung gibt es hier gleich eine ganze Hand voll. Foto: Christopher Filipecki

In acht Schritten

Acht Getränke stehen auf der Karte, die Khairat eigenhändig ausgewählt hat. Los geht es mit einem Champagner, daraufhin folgen drei Weißweine, ein Rosé, zwei Rotweine und zum Abschluss ein Eiswein. Als Herkunftsländer geben sich Neuseeland, Chile, Italien, Deutschland und weitere die Klinke in die Hand. Khairat kennt zu jedem Tropfen die Geschichte und erzählt sie mit Inbrunst. Er weiß, wie lang die Winzer:innen schon in ihrem Metier tätig, was die Geheimnisse beim Prozedere sind und welcher Wein alternativ gewählt werden kann, wenn der Favorit gerade mal ausverkauft ist. Zusätzlich beantwortet der sympathische Mittfünfziger Fragen für Newbies. Welche Gradzahl ist die richtige? Muss Rotwein grundsätzlich Zimmertemperatur haben? Warum ist ein dünnes, kostspieligeres Glas für den Wein von Vorteil? Warum stehen die Weinflaschen im Supermarkt im Regal, sollten zuhause aber hingelegt werden? Keine Frage bleibt unbeantwortet oder wird nicht ernstgenommen.

Doch während man den Wein im Glas rotieren lässt, dabei beobachtet, wie eng die sogenannten Kirchenfenster im Kelch sind und sich von dem Maracuja-artigen Duft des Brancott Estate Sauvignon Gris beflügeln lässt, klingelt der Geldbeutel und hinterlässt ein mulmiges Gefühl und Schweißperlen auf der Stirn… oder? Eben nicht. Denn wer damit rechnet, womöglich einen grünen Schein für das Probieren, Schnabulieren und Genießen auf den Tisch legen zu müssen, kann die Rechnung positiv korrigieren: Ab 25 Euro geht der kurzweilige, zwei- bis dreistündige frühe Abend los und ist ein perfekter Treffpunkt für Freund:innen am Wochenende, um richtig in Stimmung zu kommen, sich kulinarisch verführen zu lassen und gleichzeitig noch etwas zu lernen. An manchen Abenden gibt es sogar literarische oder musikalische Ergänzungen. Ganz sicher wandert mindestens einer der Vorgeführten beim nächsten Mal in den Einkaufskorb. Mit Recht. Zwischendrin hält die eine oder andere Person mit ihrem Wagen im Vorbeischlendern neugierig an und gesellt sich für einen Moment dazu, sodass auch neue Kontakte zur Nachbarschaft geknüpft werden.

Und wer denkt, er:sie könne nur etwas mit Weiß- bzw. Rotwein anfangen, solle genau dies Otmane Khairat mitteilen. Das ist nämlich eine seiner Lieblingschallenges, die Kund:innen davon zu überzeugen, ein Gegenbeispiel zu finden. Herausforderung angenommen. Schade, dass dieser Sommelier mit Leib und Seele nicht auch in der zukünftigen Ruhrpott-Filiale dabei sein wird. Möge die Weinbar dann dort ähnlich gut besetzt sein! Cheers.

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